News | 28.05.2020

Bodenplatte aus klimaneutralem Beton: NABU-Zentrum Bingen-Gaulsheim

Am Rheinufer in Bingen-Gaulsheim entsteht zurzeit das neue NABU-Naturschutzzentrum. Das Holzgebäude wird auf einer Bodenplatte aus klimaneutralem Beton errichtet. Dank der optimierten Zusammensetzung ist die CO2-Bilanz des von der Firma Holcim hergestellten Betons EcoPact Zero höchstmöglich reduziert. Dabei werden nur spezielle Rohstoffe eingesetzt, die im Rahmen der gültigen Normung zu einer CO2-optimalen Zusammensetzung gemischt werden. Ausführliche Informationen zum Thema haben wir Ihnen hier zusammengestellt.

Beton und Zement:

Beton wird aus natürlichen Rohstoffen hergestellt: aus Zement (der wiederum wird hergestellt aus Kalkstein und Ton), Gesteinskörnung (Sand, Kies) und Wasser. Die zentrale Rolle kommt dem Zement zu: Zusammen mit dem Wasser verbindet der Zement die Gesteinskörnung, wodurch überhaupt erst ein hartes Gestein entsteht. Bei der Herstellung von Zement im Zementwerk werden die natürlichen Rohstoffe Kalkstein und Ton werden zu Rohmehl gemahlen und erhitzt, wobei es zu CO2-Emissionen kommt. Im Zuge der Erhitzung entsteht der sogenannte Zementklinker. Aus dem abgekühlten Material wird der Zement gemahlen.

Klimaneutraler Beton von Holcim:

Holcim Deutschland, ein Tochterunternehmen des weltweit größten Baustoffherstellers LafargeHolcim aus der Schweiz, hat den klimaneutralen Beton Holcim Ecopact Zero entwickelt. Beim klimaneutralen Beton von Holcim werden ausschließlich CO2-reduzierte Zemente eingesetzt. CO2-reduzierte Zemente zeichnen sich dadurch aus, dass die Klinkeranteile ersetzt werden, z.B. durch Hüttensand (ein Abfallprodukt aus der Stahlindustrie). Dadurch, dass erheblich weniger Zementklinker benötigt wird, reduzieren sich auch die im Zuge der Zementherstellung anfallenden CO2-Emissionen erheblich. Aber auch bei der Herstellung des klimaneutralen Betons kann nicht vollständig auf Zementklinker verzichtet werden. Die im Zuge der Zementherstellung und sämtlicher Transportwege anfallenden CO2-Emissionen werden durch MoorFutures-Zertifikate kompensiert. MoorFutures fördert Wiedervernässungs-Projekte von Mooren in verschiedenen Bundesländern und ist somit ein wirkungsvolles Instrument für den CO2-Ausgleich, denn Moore sind die größten und effektivsten Kohlenstoffspeicher der Erde.

Erste Baustelle: NABU-Zentrum Bingen

Ende April lieferte die Holcim Beton und Betonwaren GmbH erstmals klimaneutralen Beton aus – an die Baustelle für das neue NABU-Zentrum in Bingen-Gaulsheim. Der CO2-reduzierte Zement (ein sogenannter CEM III-Zement) wurde im Holcim Mahl- und Mischwerk Dortmund produziert, der Hüttensand stammt ebenfalls aus dem Ruhrgebiet. Die Zuschlagsstoffe für den Beton stammen aus Crumstadt (ca. 15 km von Darmstadt). Hergestellt wurde der Beton im Holcim-Betonwerk in Mainz. Die Holcim-Fahrmischer brachten rund 280 Kubikmeter Holcim EcoPact Zero auf die NABU-Baustelle. Daraus entstanden die Bodenplatten des zweiteiligen Gebäudeensembles. Der Einbau erfolgte mit einer M36-Betonpumpe.

Nachhaltigkeit von Beton: 3 Fragen an Tim Gemünden

Wie nachhaltig ist Beton?

Tim Gemünden: Aufgrund seiner Nutzungsdauer von teilweise über 100 Jahren und des geringen Wartungsaufwands ist Beton grundsätzlich ein sehr nachhaltiger Baustoff. Aber bei der Frage nach der Nachhaltigkeit von Baustoffen kommt es immer auch darauf an, wofür der jeweilige Baustoff eingesetzt werden soll und ob spezielle Anforderungen zu erfüllen sind. Auch muss der Blick über den reinen Bau hinaus auf den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes gerichtet werden. So ist z.B. Holz als ein nachwachsender Rohstoff zunächst in der CO2-Bilanz bei der Errichtung eines Gebäudes in der Regel besser als Beton, wenn ich nicht ganz exotische Hölzer nehme. Das Bild verschiebt sich allerdings, wenn man den Betrieb des Gebäudes betrachtet. Denn hier punkten Beton oder schweres Mauerwerk mit einer wesentlich höheren Wärmspeicherfähigkeit als Holz: Sie können Sonneneinstrahlung deutlich besser zwischenspeichern, wodurch weniger Energie zum Betrieb des Gebäudes benötigt wird. Ob und in wie weit das zum Tragen kommt, hängt aber natürlich auch ganz stark davon ab, mit welchem Energiemix ich mein Gebäude heize oder kühle. Wenn Sie die Gesamt-Ökobilanzen der TU Darmstadt ansehen, dann liegt je nach-dem mal die eine, mal die andere Bauart vorne. Welcher Baustoff geeigneter und nachhaltiger ist, hängt also davon ab, wo und wie ich ihn einsetze. Wenn ich wegen Fluglärm im Dachbereich erhöhten Schallschutz benötige, dann ist eine massive Betondecke mit Blick auf den Parameter Schallschutz die bessere Wahl. Wenn ich z.B. bei einer Aufstockung Gewicht sparen muss, dann kann Holz vorne sein. Bei Holz sind auch die modernen Vorfertigungsmöglichkeiten sehr interessant. Das Fazit ist: Welcher Baustoff sinnvoll und nachhaltig ist, lässt sich nicht pauschal beantworten. Es kommt immer auf die Frage an, wofür ich ihn konkret einsetzen will. Fakt ist aber, in allen Baustoffen liegt noch Potenzial zur Verbesserung und das müssen wir nutzen.

Wie sieht es mit Blick auf die Transportwege mit der Nachhaltigkeit aus?

Tim Gemünden: Das ist eine Stellschraube, an der noch erheblich gedreht werden muss. Durch verkürzte Transportwege kann die CO2-Bilanz aller Baustoffe erheblich verbessert werden: Sofern geologisch verfügbar, müssen Rohstoffe in der Region abgebaut werden dürfen, in der sie benötigt werden. Denn klar ist: Sind die Transportwege kurz, sind auch die CO2-Emissionen für Logistik gering. Hier stehen insbesondere die lokalen Gebietskörperschaften im Sinne der Daseinsvorsorge in der Verantwortung. Die Landkreise und Kommunen sollten dafür sorgen, dass Rohstoffe wie Sand, Kies oder Kalkstein und Ton soweit vorhanden in der jeweiligen Region abgebaut und ohne lange Transportwege zur Verfügung gestellt werden können. Rohstoffe für Beton, aber auch andere Baustoffe wie Holz quer durch Deutschland zu fahren oder gar aus dem Ausland zu beziehen, ist mit Blick auf den Klimaschutz vollkommen kontraproduktiv.

Welche Rolle spielen Normen und Richtlinien?

Tim Gemünden: Trotz Gesetzgebung zugunsten von Recyclingbaustoffen werden diese immer wieder aus Unwissen von Gebietskörperschaften als Auftraggeber ausgeschlossen. Auch behindern Richtlinien nachhaltige Lösungen wie beispielsweise den Einsatz von klimaneutralem Beton regelrecht, zum Beispiel wenn in öffentlichen Ausschreibungen explizit konventionelle Portlandzemente vorgeschrieben sind. Hier wäre mehr Offenheit gerade seitens öffentlicher Bauherren wünschenswert. Insgesamt hinkt die Normierung der technologischen Entwicklung hinterher.

Bildnachweis | Titelbild 1: Holcim; Gallerie 1, 2: L. Lambert;