News | 08.01.2024

Pionierarbeit bei der Energieversorgung

Die Mainzer „LU:“ wird zum Wegweiser: Kalte Nahwärmenetze als nachhaltige Schlüsseltechnologie

Kalte Nahwärmenetze – einer der Schlüsselbegriffe, wenn es um Pionierarbeit bei der nachhaltigen Energieversorgung von Wohn- und Gewerbeimmobilien geht. Ein prominentes Beispiel in der rheinland-pfälzischen Landeshauptstadt, bei dem ein privatwirtschaftliches Projekt   auch für Kommunen eine wichtige Orientierungshilfe bei den Herausforderungen der kommunalen Wärmeplanung sein kann, ist die Ludwigsstraße in Mainz. Dort realisiert die Ingelheimer J. Molitor Immobilien GmbH gemeinsam mit der Sparkasse Rhein Nahe das Innenstadtquartier „LU:“ – ein zukunftsweisendes Areal, auf dem Handel, Kultur, Gastronomie und ein Hotel für neue Erlebnisse im Herzen der Stadt sorgen werden.

Schließlich müssen die Kommunen in den kommenden Jahren und Jahrzehnten schrittweise auf erneuerbare Energien umsteigen. Schon 2024 müssen neue Wärmenetze einen Anteil von 65 Prozent Erneuerbarer Energie erreichen; bis 2040 müssen bestehende Wärmenetze sogar zu 80 Prozent aus erneuerbaren Energien gespeist werden.

Die Bauherren sehen sich daher auch als Wegbereiter für zukunftsfähige und nachhaltige Wärmeversorgung und setzen auf neue Technologien – in diesem Fall auf Kalte Nahwärmenetze. Was dafür nötig ist, stellte Tim Gemünden, Geschäftsführer bei J. Molitor Immobilien und der Bauunternehmung Karl Gemünden, jetzt gemeinsam mit Prof. Dipl.-Ing. Thomas Giel von der Hochschule Mainz vor. 42 Sonden werden fürs Heizen und Kühlen an den zwei Gebäudekomplexen in der Mainzer Innenstadt gebraucht: Sechs Sonden à 120 Meter werden an der Fuststraße im Boden versenkt; am künftigen Hauptgebäude an der Ludwigsstraße 12 werden 36 Sonden à 170 Meter in die Erde eingelassen.

Die Chance, hier auf die – zumindest in öffentlichen Erschließungsräumen – bislang noch wenig bekannten Kalten Nahwärmenetze (KNW) auf Geothermie-Basis zu setzen, ist für Molitor-Geschäftsführer Tim Gemünden unausweichlich. „Kalte Nahwärmenetze sind eine Schlüsseltechnologie für das Heizen und vor allem auch Kühlen der Zukunft“, sagt er. Schließlich leisteten sie einen wichtigen Beitrag zur Begrenzung des Klimawandels. Auch angesichts des Zeitdrucks, unter dem die Kommunen dank des Wärmeplanungsgesetzes stehen, könne Geothermie zum echten Game-Changer werden. Die Vorteile liegen klar auf der Hand, so Tim Gemünden, der gemeinsam mit Prof. Dipl.-Ing. Thomas Giel maßgeblich an der Forschung und Entwicklung der Kalten Nahwärmenetze beteiligt war. Giel nämlich hatte bereits von 2007 bis 2010 mit seinem Team intensive Studien angestellt, um die Potenziale von KNW für das Heizen und Kühlen von Gebäuden zu belegen.

Da ist zum einen der Doppelnutzen: Neben dem Heizen kommt aufgrund der Klimaerwärmung auch dem Kühlen von Gebäuden eine immer größere Bedeutung zu. Auch die Kostenfrage spielt den KNW in die Karten: Die infrastrukturellen Investitionskosten sind günstiger als bei Fernwärme, da keine gedämmten Leitungen in die Straßen eingebaut werden müssen. Zudem sind Geothermiebohrungen dreimal so schnell umgesetzt wie das Verlegen von Leitungen. Ist erstmal ein Bohrfeld angelegt, kann mit diesem ein ganzes Quartier versorgt werden; es ist beliebig erweiterbar. Aufgrund der geringen Wärmeverluste sind zudem große Leitungsdistanzen von bis zu zwei Kilometern möglich.

Die Funktionsweise des Kalten Nahwärmenetzes fasst Tim Gemünden kompakt zusammen: „Dank eines zentralen Erdsondenfelds nimmt das KNW mit einem Gemisch aus Wasser und Frostschutzmittel die Wärme des Erdreichs mit seinen ganzjährig konstanten Temperaturen von rund 10 bis 12 Grad Celsius auf“, erklärt er. Durch eine Ringleitung, in der über Oberflächensonden noch zusätzlich Energie gewonnen werden kann, gelangt das erwärmte Trägermedium zu den Abnehmern. In den Gebäuden heben Wärmepumpen mit besonders niedrigem Strombedarf diese Energie dann auf die jeweils gewünschte Temperatur an.

Kalte Nahwärmenetze seien somit komplett mit erneuerbaren Energien betreibbar, erklärt der Molitor-Geschäftsführer, der mit der ebenfalls zur Unternehmensgruppe Molitor/Gemünden gehörenden „Energieversorgung Ingelheim“ (E.V.I.) bereits über 30 Bauprojekte mit KNW erfolgreich umgesetzt hat. „Wir konnten damit bereits wichtige Aufklärungs- und Pionierarbeit leisten“, sagt Tim Gemünden – schließlich habe sich vor zehn Jahren noch kaum jemand mit dieser Form des nachhaltigen Betriebs von Wohn- und Gewerbeimmobilien befasst. Mit einem renommierten und öffentlichkeitswirksamen Projekt wie der Mainzer „LU:“ hofft er allerdings auch, noch mehr Berührungsängste mit der noch sehr jungen Technik abbauen und die klaren Vorteile im Vergleich zu anderen Energieversorgungskonzepten aufzeigen zu können.

Nicht nur mit der E.V.I. setzt das Familienunternehmen auf spezialisierte Kompetenz in eigenen Reihen: Molitor Immobilien entwickelt die Quartiere mit Kalter Nahwärme, die Gebäudetechnik Rheinstraße plant die KNW, die Bauunternehmung Gemünden baut die Netze.

Tim Gemünden mit Hans Dieter Klink, Chef der ausführenden Bohrungsfirma

 

Bildnachweis | Titelbild 1: Sascha Kopp;